Das Buch der hängenden Gärten

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Fünfzehn Gedichte aus »Das Buch der hängenden Gärten«
von Stefan George op. 15
I.
Unterm Schutz von dichten Blättergründen,
wo von Sternen feine Flocken schneien,
sachte Stimmen ihre Leiden künden,
Fabeltiere aus den braunen Schlünden
Strahlen in die Marmorbecken speien,
draus die kleinen Bäche klagend eilen,
kamen Kerzen das Gesträuch entzünden,
weiße Formen das Gewässer teilen.
II.
Hain in diesen Paradiesen
wechselt ab mit Blütenwiesen,
Hallen, buntbemalten Fliesen.
Schlanker Störche Schnäbel kräuseln
Teiche, die von Fischen schillern.
Vögelreihen matten Scheines
auf den schiefen Firsten trillern
und die goldnen Binsen säuseln,
doch mein Traum verfolgt nur Eines.
III.
Als Neuling trat ich ein in dein Gehege;
kein Staunen war vorher in meinen Mienen,
kein Wunsch in mir, eh ich dich blickte, rege.
Der jungen Hände faltung sieh mit Huld;
erwähle mich zu denen, die dir dienen,
und schone mit erbarmender Geduld
den, der noch strauchelt auf so fremdem Stege.
IV.
Da meine Lippen reglos sind und brennen,
beacht ich erst, wohin mein Fuß geriet:
in andrer Herren prächtiges Gebiet.
Noch war vielleicht mir möglich, mich zu trennen,
da schien es, daß durch hohe Gitterstäbe
der Blick, vor dem ich ohne Laß gekniet,
mich fragend suchte oder Zeichen gäbe.
V.
Saget mir, auf welchem Pfade
heute sie vorüberschreite,
daß ich aus der reichsten Lade
zarte Seidenweben hole,
Rose pflücke und Viole,
daß ich meine Wange breite,
Schemel unter ihrer Sohle.
VI.
Jedem Werke bin ich fürder tot.
Dich mir nahzurufen mit den Sinnen,
neue Reden mit dir auszuspinnen,
Dienst und Lohn, Gewährung und Verbot,
von allen Dingen ist nur dieses Not,
und Weinen, daß die Bilder immer fliehen,
die in schöner Finsternis gediehen,
wann der kalte, klare Morgen droht.
VII.
Angst und Hoffen wechselnd mich beklemmen,
meine Worte sich in Seufzer dehnen,
Mich bedrängt so ungestümes Sehnen,
daß ich mich an Rast und Schlaf nicht kehre,
daß mein Lager Tränen schwemmen,
daß ich jede Freude von mir wehre,
daß ich keines Freundes Trost begehre.
VIII.
Wenn ich heut nicht deinen Leib berühre,
wird der Faden meiner Seele reißen
wie zu sehr gespannte Sehne.
Liebe Zeichen seien Trauerflöre
mir, der leidet, seit ich dir gehöre.
Richte, ob mir solche Qual gebühre?
Kühlung sprenge mir, dem Fieberheißen,
der ich wankend draußen lehne.
IX.
Streng ist uns das Glück und spröde,
was vermocht ein kurzer Kuß?
Eines Regentropfens Guß
auf gesengter, bleicher Öde,
die ihn ungenossen schlingt,
neue Labung missen muß
und vor neuen Gluten springt.
X.
Das schöne Beet betracht ich mir im Harren,
es ist umzäumt mit purpurnschwarzem Dorne,
drin ragen Kelche mit geflecktem Sporne
und samtgefiederte, geneigte Farren
und Flockenbüschel, wassergrün und rund
und in der Mitte Glocken, weiß und mild –
von einem Odem ist ihr feuchter Mund
wie süße Frucht vom himmlischen Gefild.
XI.
Als wir hinter dem beblümten Tore
endlich nur das eigne Hauchen spürten,
warden uns erdachte Seligkeiten?
Ich erinnere, daß wie schwache Rohre
beide stumm zu beben wir begannen,
wenn wir leis nur an uns rührten
und daß unsre Augen rannen.
So verbliebest du mir lang zu Seiten.
XII.
Wenn sich bei heiliger Ruh in tiefen Matten
um unsre Schläfen unsre Hände schmiegen,
Verehrung lindert unsrer Glieder Brand:
So denke nicht der ungestalten Schatten,
die an der Wand sich auf und unter wiegen,
der Wächter nicht, die rasch uns scheiden dürfen
und nicht, daß vor der Stadt der weiße Sand
bereit ist, unser warmes Blut zu schlürfen.
XIII.
Du lehnest wider eine Silberweide am Ufer;
mit des Fächers starren Spitzen
umschirmest du das Haupt dir wie mit Blitzen
und rollst, als ob du spieltest, dein Geschmeide.
Ich bin im Boot, das Laubgewölbe wahren,
in das ich dich vergeblich lud zu steigen …
die Weiden seh’ ich, die sich tiefer neigen
und Blumen, die verstreut im Wasser fahren.
XIV.
Sprich nicht immer
von dem Laub,
Windes Raub;
vom Zerschellen
reifer Quitten,
von den Tritten
der Vernichter
spät im Jahr.
Von dem Zittern
der Libellen
in Gewittern,
und der Lichter,
deren Flimmer
wandelbar.
XV.
Wir bevölkerten die abend-düstern
Lauben, lichten Tempel, Pfad und Beet
freudig sie mit Lächeln, ich mit Flüstern –
nun ist wahr, daß sie für immer geht.
Hohe Blumen blassen oder brechen.
Es erblaßt und bricht der Weiher glas
Und ich trete fehl im morschen Gras.
Palmen mit den spitzen Fingern stechen.
Mürber Blätter zischendes Gewühl
jagen ruckweis unsichtbare Hände
draußen um des Edens fahle Wände.
Die Nacht ist überwölkt und schwül.

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